Satirische Kurzspielfilme aus der frühen DDR

In der DDR nannte man sie einfach »Stacheltiere«, jene kurzen, satirischen Kurzspielfilme, von denen zwischen 1953 und 1964 immerhin 275 Einzeltitel in Berlin produziert wurden.
Was zunächst auffällt, ist das sympathische »Stacheltier-Logo« zu Beginn jedes Films. Für den interessierten DDR-Bürger war es das Markenzeichen für ein kleines Film- manchmal auch Kunstwerk, in dem die inhaltliche Auseinandersetzung mit den vielen Unzulänglichkeiten der sozialistischen Gesellschaft geführt werden durfte. Dass es auch Filme über den »Klassenfeind« gab, interessierte den Zuschauer eher wenig.

Die meist der SED angehörenden Produzenten, Autoren, Dramaturgen und Regisseure, hatten indes andere Fragen und Sorgen. Wie hart durfte die Kritik am sozialistischen Gesellschaftssystem sein? Spielte man nicht dem direkt vor der Haustür agierenden Klassengegner mit der Darstellung eigener Schwächen Argumente zu, die dieser verwerten würde? Wie war mit sozialistischen Bündnispartnern umzugehen? Weniger nachdenklich war man, wenn es galt, sich mit dem imperialistischen Klassenfeind auseinander zu setzen. Hier verstand man die Arbeit als klaren politischen Auftrag, der vor allem eine agitatorische Funktion wahrzunehmen hatte, auch wenn dabei künstlerisch-ästhetische Aspekte vernachlässigt wurden.
In einem Partei und Regierung vorgelegten und 1953 im DEFA-Studio erarbeiteten Papier hieß es sinngemäß, dass die kleinen Schwächen der neuen und positiven Gesellschaftsordnung mit Humor zu überwinden seien, die imperialistischen Feinde aber mit aller Schärfe der satirischen Waffe aufgegriffen und bekämpft werden sollten.

Trotz kulturpolitischer Querelen war diese Form des Kurzspielfilms etwas Einmaliges für die DDR. Bürokratismus, menschliche Unzulänglichkeiten und Versorgungsengpässe in Handel und Wirtschaft konnten aufgedeckt werden. Bekannte und weniger bekannte DarstellerInnen nahmen Rollenangebote gerne an, bot sich ihnen wegen der kurzen Produktionszeit doch die Chance, schnell beim Publikum bekannt und beliebt zu werden (u.a. Angelica Domröse, Erwin Geschonneck, Herbert Köfer, Manfred Krug, Gisela May, Rudolf Wessely). Auch junge Regisseure durften sich in diesem Genre versuchen, und manch später bekannte DDR-Filmregisseur hat ein oder mehrere Stacheltiere abgeliefert. (u.a. Benno Besson, Frank Beyer, Kurt Maetzig, Günter Reisch, Horst Seemann, Herrmann Zschoche). Interessant im Rückblick ist auch, welche bekannten Autoren Texte und Drehbücher schrieben (u.a. Jurek Becker, Wolfgang Kohlhaase, Günter Kunert, Hansgeorg Stengel, Eva und Erwin Strittmatter).

In deutscher Erstaufführung gibt diese wunderbare Retrospektive einen Einblick
in die damalige politische Situation der DDR.

Helmut Morsbach, Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin



STACHELTIERPARADE 1

Samstag, 8. Juni 2002, 20.00 Uhr, Zeise 1
Dienstag, 11. Juni 2002, 20.00 Uhr, Zeise 2
Samstag, 15. Juni 2002, 15.00 Uhr, Zeise 3

1. Der arme Jonathan
Harald Röbbeling, DDR 1955, 7'24 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
2. Papier, Papier
Richard Groschopp, DDR 1954, 4'20 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
2. Guter Rat ist billig
Helmut Schneider, DDR 1960, 3'18 Min., 35 mm, s/w, dt. OF,Spielfilm
3. Eine Liebesgeschichte
Richard Groschopp, DDR 1953, 6'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
4. ... Noch nicht eingetroffen
Richard Groschopp, DDR 1953, 2'15 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
5. Der Margarinekönig
Karl-Heinz Bieber, DDR 1954, 8'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
6. Schule für Kunden
Otto Tausig, DDR 1958, 8 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
7. Produktion geht vor …
Lothar Dutombé, DDR 1960, 4'51 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
8. Persil bleibt Persil
Richard Groschopp, DDR 1956, 6'21 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
9. Immertreu
Harald Röbbeling, DDR 1955, 9'10 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
10.Alte Schule
Erich Brehm, DDR 1956, 2'42 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
11. Der Treppenwitz
Richard Groschopp, DDR 1955, 5'36, 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
12. Prometheus – Olympische Spiele mit dem Feuer
Heinz Thiel, DDR 1955, 9'48 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
13. Das Gesellschaftsspiel – Eine unglaubliche Geschichte oder?
Frank Beyer, DDR 1957, 6'42 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm


STACHELTIERPARADE 2

Sonntag, 9. Juni 2002, 22.30 Uhr, Lichtmeß
Donnerstag, den 13. Juni 2002, 20.00 Uhr, Metropolis
Samstag, 15. Juni 2002, 15.00 Uhr, Zeise 3

1. Träume sind Schäume?
Ralf Kirsten/Joachim Hoyer (Neubearbeitung), DDR 1963, 13'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
2. Der vorbildliche Ehemann
Bodo Schmidt, DDR 1962, 5'18 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
3. Die Moritat vom Durst
Erich Brehm, DDR 1962, 7'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
4. Rumpelstilzchen
Hans-Dieter Mäde, DDR 1961, 9'42 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
5. Was darf’s denn sein?
Joachim Hoyer, DDR 1962, 5'24 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Propagandafilm
6. Die Heilige und ihr Narr
Hubert Hoelzke, DDR 1962, 4'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
7. Lügen haben kurze Beine
Hans-Günter Kaden, DDR 1962, 5'48 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
8. Gisela May singt und spricht Kurt Tucholsky
Georg Honigmann, DDR 1962, 7'48 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Doku
9. Das große Geheimnis
Hubert Hoelzke, DDR 1961, 7'18 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
10. Aus dem leben gegriffen
Ernst Kahler, DDR 1961, 3'30 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
11. Engel, Sünden und Verkehr – Episoden auf Rädern - Episode 1: Schutzengel
Horst Seemann, DDR 1963, 7'48 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm
12. Engel, Sünden und Verkehr – Episoden auf Rädern - Episode 2: Der Wettlauf des Hasen mit dem Igel
Horst Seemann, DDR 1963, 15'18 Min., 35 mm, s/w, dt. OF, Spielfilm




HOME | NEWS | KONTAKT | PRESSE
ÜBER DAS IKFF | IKFF TRAILER | KINDER FILM FESTIVAL
ENGLISH PAGES | KURZ FILM AGENTUR

© 2002 KURZ FILM AGENTUR HAMBURG
EMAIL: kfa@shortfilm.com