Moving Target: Eine kinematografische Collage von Richard Frenken

Ausstellung | Mittwoch, 4. Juni, bis Samstag, 7. Juni | Foyer Metropolis

Eine Skulptur aus Einzelbildern, Licht und Bewegung. Eine Abstraktion, die gestern und heute, Neuanfang und Verfall verschmilzt. In der kinematografischen Collage des Medienkünstlers Richard Frenken trifft die Mechanik des 19. Jahrhunderts auf moderne Seherwartungen. Durch einen rotierenden Stahlzylinder verbinden sich zeitgenössische und historische Fotos zu einem visuellen Rausch, in dem das Auge kein Bild fokussieren kann. Das Ziel ist beweglich, alles fließt. Kino wird recycelt und erfindet sich dabei neu.

Interview: "Alles ist Gegenwart"

Eine Skulptur, die Gestern und Heute, Neuanfang und Verfall verschmilzt: In seiner Collage ‚Moving Target’ verbindet der Hamburger Medienkünstler Richard Frenken Licht, Bewegung und Fotografie zu einem kinematografischen Rausch – Kino wird recycelt und erfindet sich dabei neu. 

Ihre Skulptur basiert auf einem sogenannten Zoetrope, einem rotierenden Metallzylinder, der im 19. Jahrhundert als Vorläufer des Kinos entstand. Warum haben Sie diese Darstellungsform gewählt?
Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn ein historisches Medium auf moderne Seherwartungen trifft. Außerdem ist der Zoetrope nicht so sehr mit medientheoretischer Bedeutung aufgeladen wie Film oder Fotografie. Das lässt mir als Künstler mehr Spielraum. 

Im Inneren der Skulptur sind Fotografien montiert. Warum haben Sie dafür die Bilder von Edward Muybridge verwendet?
Die Fotos sind um 1880 entstanden, etwa in der gleichen Ära wie der Zoetrope, und verbinden zwei Themen, die mich seit langem beschäftigen: Stillstand und Bewegung, eben das, was Fotografie und Film in der Regel unterscheidet. Interessant finde ich auch, dass Muybridge gar kein Künstler gewesen ist. Er wollte mit seinen Fotografien das Phänomen Bewegung wissenschaftlich analysieren und untersuchen, ob Pferde beim Galopp zu einem Zeitpunkt alle vier Beine in der Luft haben. Ihm war anfangs gar nicht klar, dass durch das Hintereinanderschalten stehender Bilder Fotografie zu etwas Filmischem wird.

Sie sind in Australien aufgewachsen, gibt es auch biografische Beweggründe für Ihre Arbeit?
Mein Heimatland spielt eigentlich keine Rolle, ich bin ja schon seit 1995 in Hamburg. Ich habe aber durch einen Sehfehler schon als Kind eine unscharfe Welt wahrgenommen - meine Brüder sahen Flugzeuge, die ich nicht sehen konnte. Dadurch wurde mir früh klar, dass unsere Wahrnehmung abhängig ist von unseren Augen oder Brillen. Später habe ich entdeckt, dass unser Weltbild nicht nur optische Hilfsmittel beeinflussen, sondern eben auch mediale Darstellungsformen.

Was macht den Zoetrope als Medium so spannend?
Ich kann damit die Schnittstelle zwischen Fotografie und Film visualisieren. Und ich kann die Linearität cineastischer Erzählformen auflösen. Durch die Art, wie der rotierende Zylinder die Fotografien in Bewegung setzt, entsteht kein Plot, kein dramaturgischer Aufbau, keine Großaufnahme – ganz anders als im Film, wo Höhepunkte simuliert werden und ein Regisseur entscheidet, was und in welcher Reihenfolge das Publikum anschaut. Bei mir passiert alles gleichwertig und gleichzeitig, in einem sich wiederholenden Rhythmus von einer Sekunde – das ist der Zeitraum, in dem sich der Zylinder einmal um sich selbst dreht.

Man sieht Vorher, Nachher und Jetzt im selben Moment?
Also, wenn man es genau nimmt, gibt es beim Betrachten gar keinen Unterschied zwischen Vorher, Nachher und Jetzt: Meine Skulptur sorgt dafür, dass alles Gegenwart ist. Wenn man vor dem Zylinder steht, kann das Auge kein Einzelbild wirklich fokussieren. Das Bild wird erlebt, während es entsteht. Das Ziel ist beweglich, alles fließt. Deshalb heißt die Skulptur auch ‚Moving Target’.

Wie reagieren Zuschauer auf Ihr Kunstwerk?
Die meisten begreifen zuerst nicht, wie es funktioniert. Wenn der Zylinder in Bewegung ist, sieht man ja nur eine Spirale sich bewegender Bilder, die sich ineinander schrauben. Selbst Filmexperten wissen oft nicht, dass die Bilder auf der Innenwand des Zylinders befestigt sind und durch die Rotation und feine Schlitze in dem Metallkörper nach außen projiziert werden.

Die Bilder entstehen im Auge des Betrachters...
Genau genommen entstehen sie durch die Wechselbeziehung zwischen Betrachter und betrachtetem Objekt. Die Fotografien in dem Zylinder sind ja nicht das, was der Zuschauer wahrnimmt. Erst durch sein Sehvermögen sowie die Beschaffenheit und die Rotation des Zylinders entsteht der finale Eindruck. In diesem Wechselspiel drückt sich für mich die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Dasein aus, zwischen Innen und Außen. Es zeigt, das alles, was wir sehen, eine Illusion ist, eine Erscheinungsform dessen, was tatsächlich existiert. Ich finde, das ist eine wunderbare Vorstellung!

Die Fragen stellte Christa Thelen©.

Kontakt:
Richard Frenken
Erdmannstraße 14
22765 Hamburg
Tel: 01577 216 40 35
E-Mail: r.frenken@bird-cage.org