Internationaler Wettbewerb - Allgemeines
2019 sind schon 19 Jahre 21. Jahrhundert und 35 Jahre Kurzfilm Festival Hamburg. Der Internationale Wettbewerb des Festivals hat immer wieder Maßstäbe im Schauen gesetzt – durch seine große Freiheit, ohne Premierendruck Filme auswählen und gemeinsam zeigen zu können. Dadurch sind Programme entstanden, die unterstreichen, was kurzer Film und vor allem mehrere kurze Filme gemeinsam sehr gut können, sie erweitern den Denkraum: 1+1=5.
Bevor wir beim Festival Programme komponieren, schauen wir Filme. Im März jeden Jahres geht es in die entscheidende Sichtungsphase. Ein zentraler Gedanke prägt den Anfang der Auswahlsichtung: Was für Filme können eigentlich dieses Jahr kommen, wenn doch vergangenes Jahr schon die tollsten Filme in Hamburg waren? Das ist eine wichtige Frage und eine Zäsur, die das Bewusstsein schärft. Intensive Gespräche und Diskussionen folgen. Langsam entsteht es: das neue Programm. Ein Programm mit Filmen, die einen umwerfen, bezaubern, anrühren. Filme, die einen nicht schlafen machen. Filme, die wütend machen. Berührung. Auf den Punkt. Genau. Formal und inhaltlich, alles, was die zeitgenössische Kunst will und braucht – hybrid, wild, auf 16mm oder Super 8 gedreht, experimentell und narrativ, verspielt und anarchistisch, bodenständig, auf der Suche, dokumentarisch, sexy. Von allem viel und gern kurz. Die Filme des Internationalen Wettbewerbs des Kurzfilm Festivals Hamburg lieben die kurze Form, und wir lieben diese Filme. Längst vergessen, die Frage vom Anfang der Sichtung.
Filmauswahl: Thorkil Asmussen, Pierre Bagieu, Anna Feistel, Alejo Franzetti, Steffen Goldkamp, Maike Mia Hohne, Felix Piatkowski, Frank Scheuffele, Helena Wittmann
Filmprogramme Internationaler Wettbewerb
1 Echoes from Tomorrow. Jenseits der Zeit … Ein Horizont
Mittwoch, 5. Juni | 19 Uhr | Zeise 2
Freitag, 7. Juni | 19.45 Uhr | B-Movie
2 Das Licht der Welt
Mittwoch, 5. Juni | 21.15 Uhr | Zeise 1
Freitag, 7. Juni | 17.30 Uhr | B-Movie
3 Ortslinien
Donnerstag, 6. Juni | 19 Uhr | Zeise 1
Samstag, 8. Juni | 19.45 Uhr | B-Movie
4 PINKPENGPU oder der Aufzug der Reitertrupps
Donnerstag, 6. Juni | 21.30 Uhr | Zeise 2
Samstag, 8. Juni | 22 Uhr | B-Movie
5 Apropos de la vie
Freitag, 7. Juni | 20.15 Uhr | Zeise 2
Samstag, 8. Juni | 17.30 Uhr | B-Movie
6 „Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm“ W.B.
Freitag, 7. Juni | 22 Uhr | Zeise 1
Samstag, 8. Juni | 20 Uhr | Zeise 2
7 Jenseits der Zeit liegt der Schlüssel vergraben
Donnerstag, 6. Juni | 19.30 Uhr | B-Movie
Samstag, 8. Juni | 17.45 Uhr | Zeise 2
8 A la recherche des vies
Donnerstag, 6. Juni | 21.45 Uhr | B-Movie
Samstag, 8. Juni | 22.15 Uhr | Zeise 2
Best of Internationaler Wettbewerb
Montag, 10. Juni | 19 Uhr | Zeise 2
Internationaler Wettbewerb 2019 im Detail
1 Echoes from Tomorrow. Jenseits der Zeit … Ein Horizont
A Million Years: Zwei begegnen sich im Hotel in Kambodscha. Langsam fließt die Zeit. Das Paradies vor Augen, entfalten sich Sehnsüchte und Wirklichkeiten. 3 Dreams of Horses ist ein Triptychon, in dem das Pferd in seinen verschiedenen Inkarnationen, als domestiziertes Tier, als abstrakte Kraft und als Symboltier, zur Meditation anregt. I’ve Got My Things and Left: Eine Totenwache für den Freund, der viel zu früh gegangen ist. Deborah Stratman arbeitet in Vever (for Barbara) mit Aufnahmen der kürzlich verstorbenen Filmemacherin Barbara Hammer, die diese bei einer Motorradreise 1975 durch Guatemala gedreht hat. Vever verbindet drei Generationen avantgardistischer Filmemacherinnen und deren Versuche, andere Geschichten und Suchen transparent zu machen. Die Filmemacherin Malena Szlam hat auf 16mm eine subjektive meditative Erfahrung des Altiplano Hochplateaus in den Anden gefilmt. Doppelbelichtungen, Töne, Flicker machen ein Gelände greifbar, das in seiner Unnahbarkeit an den Mars erinnert. Eine Ode an die Lust am Entdecken.
Mittwoch, 5. Juni | 19 Uhr | Zeise 2
Freitag, 7. Juni | 19.45 Uhr | B-Movie
2 Das Licht der Welt
Yuka Sato aus Japan sammelt Lichter und stellt sie in Dialogue in den größeren Zusammenhang: ein Gedicht für die Stadt in Farben und Mustern. Erinnerung und Verweis an ›Lights‹ der großen Avantgardekünstlerin Marie Menkens. Über die Stadt wird die Statue eines Elefanten geflogen. Die palästinensische Künstlerin Shuruq Harb verknüpft in The White Elephant Bilder aus den 90ern mit Aussagen von Bekannten, warum ein Autodiebstahl ein politischer Akt sei, der ersten Intifada und Trance Partys in Tel Aviv, die 72 Stunden dauerten. In III der polnischen Animationsfilmerin Marta Pajek treffen zwei aufeinander, und Eingriffe in den Körper werden zu Blumen auf der Leinwand. Via Craigslist sucht der Autor von The Eddies Männer, deren Fetisch es ist, mit der Waffe zu masturbieren. Die Oberfläche der Sehnsucht trifft auf die Untiefen des städtischen Raums. Schlaf Kindlein schlaf, Vater hüt die Schaf, Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Die männliche Gewalt überlagert die Unschuld und das Wachsen: Prendre feu.
Mittwoch, 5. Juni | 21.15 Uhr | Zeise 1
Freitag, 7. Juni | 17.30 Uhr | B-Movie
3 Ortslinien
Mutter und Sohn suchen nach dem Grab des Vaters. Vergangenheit und Zukunft begegnen sich in Vietnam, wenn der Golfball die Zeit durchfliegt und das Blessed Land der kapitalistischen Kommerzialisierung unterworfen wird. Die größte aller Dynastien war im ›Denver Clan‹ zu bewundern. In El laberinto folgen wir den Erinnerungen des Erzählers, der in den spektakulären Aufstieg und Fall der Drogenmafia in Kolumbien involviert war. Cranes, Mafiosos and a Polaroid Camera basiert auf dem Gedicht von Natalie Diaz. Eine Meditation über die Identität einer Native American Woman. Kevin Jerome Everson und Claudrena N. Harold zollen mit ihrer perfomativen Arbeit Black Bus Stop einer Bushaltestelle Tribut, die in den 80er Jahren an der Universität von Virginia der Ort war, wo schwarze Studierende sich zusammenfanden, um gemeinsam Musik zu hören, zu tanzen, zu flirten, über Politik zu sprechen. Erinnerung an eine historische Leerstelle. In 27 Thoughts About My Father betrachtet Mike Hoolboom seinem Vater und sich selbst in 27 Episoden. Die Seelen flackern im Videomaterial.
Donnerstag, 6. Juni | 19 Uhr | Zeise 1
Samstag, 8. Juni | 19.45 Uhr | B-Movie
4 PINKPENGPU oder der Aufzug der Reitertrupps
Clando Bi – Wild Cab. „You know, sometimes it is necessary to speed up.“ Ein Roadmovie aus dem Senegal – eine Kooperation von Studierenden aus der Schweiz und dem Senegal mit Alain Gomis als Tutor. »Parece que …« (»Es scheint als ob«) basiert auf dem Gedicht »No es« – »Es ist nicht« von Mariano Blatt. Vermutung, Spekulation, These. Parsi – ein Fluss. Im Fluss steht ein großes Rad und dreht sich. Fehlt nur der Hamster, oder sehen wir den nicht? Johann Lurfs installative Ansicht Cavalcade verschränkt die Ebenen der Wahrnehmung. Die junge Frau ist vergewaltigt worden und versucht jetzt mit ihrem Freund, ihre Lust wiederzugewinnen. Jenseits einer voyeuristischen Betrachtung von gewaltvoller Leiderfahrung erleben wir das zugewandte Danach: Suc de síndria. In dem Animationsfilm Entropia der Ungarin Flora Anna Buda explodieren die Farben. Alles Abstrakte kommt dank der Fliege zum Leben. BHs sind überbewertet.?
Donnerstag, 6. Juni | 21.30 Uhr | Zeise 2
Samstag, 8. Juni | 22 Uhr | B-Movie
5 Apropos de la vie
Ektoras Malo: I Teleftea Mera Tis Chronias (Hector Malot: der letzte Tag des Jahres): ein Spielfilm von Jaqueline Lentzou über Einsamkeit und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Dazuzugehören ist auch eine kulturelle Frage. In Nostalgia de mi muelle kombinieren Ben Donoghue und Julieta Maria Film- und Videomaterial, um über die Migration von Syrern, Palästinensern und Libanesen nach Lateinamerika nachzudenken. Vertical Shapes in a Horizontal Landscape von Mark Jenkin aus England: zwischen St. Leonards On Sea in East Sussex und Dungeness, einer Landspitze mit Kiesstrand in Kent. Von Andrew Kötting bis Derek Jarman, und das in fünf Minuten und während des Brexits. Es ist Wahlkampf in Frankreich, Frühjahr 2017. Pierre ist Student und wohnt bei der 75-jährigen Francine. Gemeinsam versuchen sie zu verstehen, was mit ihnen und der Gesellschaft passiert. Regisseur Emanuelle Marre verquickt in D’un château l’autre dokumentarische Strategien mit fiktionalen Anteilen zu einem zeitgenössischen Gesellschaftsporträt aus Frankreich.
Freitag, 7. Juni | 20.15 Uhr | Zeise 2
Samstag, 8. Juni | 17.30 Uhr | B-Movie
6 „Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm“ W.B.
Der portugiesische Filmemacher Jorge Jacome, der 2018 in Hamburg mit seinem Film ›Flores‹ den Hamburger Kurzfilmpreis im Internationalen Wettbewerb gewonnen hat, entwirft in seinem neuen Film Past Perfect eine Assoziationskette von Bildern, die einem imaginären Dialog durch die Jahrhunderte folgen. Bosnienkrieg 1992. Im Norden Bosnien-Herzegowinas befindet sich das Gefangenenlager Omarska. Der Film versucht, anhand von Archivmaterial, Videoguides und Aussagen von Überlebenden in einer 3-D-Animation eine virtuelle Gedenkstätte zu errichten. Ross Meckfessel verschränkt in The Air of the Earth in Your Lungs digitale und analoge Bildwelten, Videospiele und Google Maps zu einer Meditation über die bedenkliche Schönheit unseres Planeten. In It Has to Be Lived Once and Dreamed Twice von Rainer Kohlberger ist beim sechsten großen Massensterben die Menschheit ausgestorben. Die künstliche Intelligenz hat überlebt und beginnt ein Bewusstsein seiner selbst zu erlangen.
Drei Arbeiten Kohlbergers bilden dieses Jahr das Trailer-Triptychon des Festivals.
Freitag, 7. Juni | 22 Uhr | Zeise 1
Samstag, 8. Juni | 20 Uhr | Zeise 2
7 Jenseits der Zeit liegt der Schlüssel vergraben
Im Stil der Neuen Sachlichkeit entwerfen die Spanier Chema García Ibarra und Ion de Sosa in Leyenda dorada ein fast utopisch anmutendes Bild einer dörflichen Gemeinschaft, über die aus der Höhe die Madonna der Tröstungen wacht. Wer wacht über die Seemänner in elephantfish – ein Cargoschiff, ein geschlossener Raum, der unerreichbare Horizont. Träume sind der Weg nach draußen. Die Mineralsammlung erwacht zum Leben: Hoarders Without Borders. Über Grenzen hinweg hilft die Mutter dem Sohn zu kochen. 1991 hat sie ihm im ersten Irakkrieg das Leben gegeben. Alle Männer von der Insel haben früher auf See gearbeitet. Die Regisseurin identifiziert sich mit Une fille de Ouessant und verquickt Leben und Zeiten auf der Suche nach dem verlorenen Vater.
Donnerstag, 6. Juni | 19.30 Uhr | B-Movie
Samstag, 8. Juni | 17.45 Uhr | Zeise 2
8 A la recherche des vies
La Bala de Sandoval: eine Nahtoderfahrung und der Versuch sich zu erinnern, Kontemplation, gefunden im tropischen Regenwald in Ecuador. Der Spielfilm Qinglang de Tiankong aus Bangkok erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die versucht mit ihren Eltern klarzukommen, nachdem der Vater nach zehn Jahren unerwartet wieder im Leben von Mutter und Tochter auftaucht. Bárbara Wagner und Benjamin de Burca lassen in Rise eine Gruppe von Poeten, Sängern, Rappern über ihren Status als Erst- und Zweitgeborene Torontianer verhandeln, die auch nur auf geborgtem Land der indigenen Bevölkerung leben. Proust hat sieben Bände über die verlorene Zeit geschrieben. Albertine a disparu wird im sechsten Band verhandelt. Reenactment in allem Zauber von den Feuerwehrmenschen um die Ecke.
Donnerstag, 6. Juni | 21.45 Uhr | B-Movie
Samstag, 8. Juni | 22.15 Uhr | Zeise 2
Best of Internationaler Wettbewerb:
Montag, 10. Juni | 19 Uhr | Zeise 2