No Budget Wettbewerb - Allgemeines

NoBudget zeigt Filme, die mit wenig Budget, dafür aber umso mehr Energie und Enthusiasmus entstanden sind. Hier stehen die Haltung und der Schaffensprozess im Vordergrund. NoBudget zeigt Arbeiten, die einen eigenen künstlerischen Anspruch vertreten – ausprobierend, kompromisslos und schräg. NoBudget ist unzensiert und unbeeinflusst.

47 internationale Kurzfilme aller Gattungen in sechs Programmblöcken warten auf Reaktionen von Publikum und Jury. Es werden ein Jurypreis (2000 Euro) und der NoBudget-Publikumspreis ›Der optimistische Durchblick‹ (1500 Euro) vergeben.

Die Eröffnung des NoBudget-Wettbewerbs mit dem Programm 1 begehen wir am Mittwoch, 4. Juni, um 19 Uhr im NoBudget-Hotel in der Halle 5, Festivalzentrum.

Einige NoBudget-Vorstellungen laufen im Lichtmeß und B-Movie, der gesamte Wettbewerb im NoBudget-Hotel: Hier befreien wir den kurzen Film aus dem Korsett des konventionellen Kinos und experimentieren mit einem NoBudget-Abend ohne Grenzen, aber mit Sesseln und Sofas. Dies gilt insbesondere für Samstagnacht ab 22 Uhr, wenn wir die Türen des NoBudget-Hotels für unser Open Screening aller Wettbewerbe öffnen: Hier läuft Mitgebrachtes, Brandneues oder Wiederentdecktes.

Für den Freitag und Samstag bieten wir ein NoBudget-Tagesticket an: drei Vorstellungen für 10 Euro sehen.

Best of NoBudget:
Montag, 9. Juni | 19.30 Uhr | Zeise 2

Filmauswahl: Sarah Adam, Giuseppe Gagliano, Andonia Gischina, Sandra Lösel, Felix Piatkowski, Torsten Stegmann

NoBudget IKFF Hamburg 2014 Preview from Hamburg ShortFilmFestival on Vimeo.

No Budget Wettbewerb 2014 im Detail

Time and Again

Unsere ersten Wunder erhielten wir in Tüten verpackt mit auf den Lebenspfad. Frühe fantastische Überraschungen bekamen wir auf beleuchteten Wänden in dunklen Räumen zu sehen. Viele dort entdeckte, noch unerklärliche Ereignisse haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Inzwischen sind unsere Wahrnehmungen weit ins Unbekannte vorgedrungen, haben uns irritiert und begeistert an den unmöglichsten Vorstellungen teilnehmen lassen. Im NoBudget-Rekreationszentrum werden wir erneut das Sehen sich erproben lassen, weit ab vom konventionellen Schaustoff.

Es beginnt mit warten. Die Aufforderung ›Take it from the Top‹ hält den Blick lange oben, bevor das erste Bild geschnitten wird. Zweiwöchige Zeiträume übertragen deren Umgestaltung in eine andere Dimension. Die Vervielfältigung eines Moments bringt ein Karussell der Perspektiven in Bewegung. Im schwarzen Loch verdichten sich Aufzeichnungen zu einem animierten Kaleidoskop. Nebenan wird ein Liebesreigen im Spiegelkabinett aufgeführt. Die Lebenslust kommt unter aufmunternden Gesängen ins Schwitzen. Überhitzte Gemüter geraten auf einer überdrehten Umlaufbahn in den Pop-Himmel. Zeremonielle Bruchstücke übermitteln das Schaulaufen zur Erde. Literarische Verpackungsentwürfe markieren den Lesestoff als geschichtsträchtige Wegweiser. Im letzten Kapitel nimmt eine Jagdszene Gestalt an, die nicht über das Sofa passt.

Mit ›Safety Adventures‹ reisen wir gefährlich nah an exotische Orte. In einer Ohrmuschel verirren wir uns in weichen Gewindegängen. Auf der Suche nach einem Ausgang gelangen wir auf die andere Seite der Wirklichkeit, in den Wahnsinn. Organische Lebensformen bilden sich aus stetigen Bewegungsabläufen immer wieder neu. Danach werden wir vorsichtig auf einen Lehrpfad durch ein Biotop geführt. Ist es bereits eine Nachbildung des Paradieses, oder bestaunen wir das Original selbst? Seismografische Ausschläge werden direkt auf der Bildoberfläche verzeichnet. Die faszinierende Energie der Elemente lässt sich ebenfalls an kleineren Objekten entfachen.

Wer jetzt noch weiter mit in entlegenste Räume vordringen möchte, bedient sich beim NoBudget-›Eye-Opener‹. Dieser schickt das Sehen in die abstraktere Erlebniswelt. Die auf der Netzhaut auftreffenden Lichtreize dringen hypnotisierend ins Unbewusste der Sinne. Zum 100. Geburtstag des Animationspioniers Norman McLaren haben sich hier großartige Leinwandexperimente versammelt. Punktmuster, direkt auf Film gestanzt, erzeugen ebenfalls den Soundtrack zu dieser ›Double Vision‹. Das nachfolgende Triptychon vereinigt tongenerierte pulsierende Strukturen zu einer audio-visuellen Minimalsymphonie. Auf einem Liebesbankett flattern die Ereignisse verzückt im Farbenrausch. Eine Drei-Wege-Straßenszene wird in einem übereinandergeschichteten Farbkodierungsverfahren festgehalten. Eine Tonaufzeichnung gerät durch deren Bildbearbeitung selbst zum wandernden Filmobjekt. Beim Anschauen des Spektralfarben-Mobiles nicht vergessen, die Brillen aufzusetzen! Im Darkroom kommt es zu heftigen Bildgewittern. Optische Illusionen zeigen uns einen Projektionsraum, oder sind wir bereits das Kino selbst? Die Veränderungen sind fließend, treibende Lichtreflexe halten das Sehen in meditativer Bewegung. Letzte Bildreste werden aus verlassenen Vorführräumen gesammelt und zu einem finalen Trailer auf das analoge Kino montiert.

›Someone Somewhere‹ ist dort, wo Fenster in menschenleeren Vorortsiedlungen Verehrungen aussprechen. Noch einsamer wird es auf chilenischen Hochebenen: Der letzte Bewohner spukt durch eine Geisterstadt. Aus näher gelegenen, nicht vorhandenen Orten erfahren wir von Lebensvisionen, die noch unglaublich erscheinen. Eine akustische Versuchsanordnung verpasst ihren Einsatz in letzter Minute. »Steht die Tür auf dieser Seite offen?« Der Zeitbesuch im Berlin der 70er-Jahre wird per Telefon in eine andere Szene übertragen. Hinter der Dessous-Auslage eines Geschäfts probt der einzige männliche Akteur seine Emanzipation. In zwei gleichzeitigen Filmen kommen sich zwei sehr verschiedene Nachbarn endlich etwas näher. Eine Zigarettenlänge liegt manchmal zwischen Leben und Tod.

Zwei Patienten finden sich nach einer ›Flash Therapy‹ in einer irrationalen Welt wieder. Wir sind als Beobachter zugeschaltet. Der Abschied von einem beliebten Treffpunkt erfährt seine Verehrung in der perspektivischen Langzeitraumaufteilung. Naturbelassener Joghurt wird durch eine traditionelle Anwendung um eine Geschmackskomponente angereichert – die Gebrauchsanweisung erklärt, warum. Mit diesen Hinweisen geraten wir inmitten von nächtlichen Traumbildern, von hier aus können wir deren Schöpfer nicht finden. Existenzielle Hilferufe werden aus dem Unbekannten auf Radarschirmen aufgefangen. Entfernte anonyme Stimmen verlesen einen Code in die sich ausdehnende Nacht und zeugen von einem unsichtbaren Dasein. Das Eintauchen in die sich wiederholende Fragestellung bringt keine Antwort hervor. Ein Leitfaden ist hier nicht angebracht. Neonleuchtende Konsumhalden brechen in die Einsamkeit einer eindrucksvollen Landschaft. In Mikropolis gehen derweil die Lichter an. Die Techniker nehmen ihre spannungsversorgte Arbeit auf. Abschließende Sequenzen fügen sich in reproduzierten kurzen Abschnitten zusammen, bevor sie sich trennen.

›The Bright Side of the Sun‹ erhellt jeden Tag unseres Lebens. Ein Jahr ist vergangen, und wir finden uns wieder an einem vertrauten Ort. In Tabellen aufgezeichnete Berechnungen bilden die Partitur einer sich vervielfältigenden Komposition. Weitere Fundstücke in einem verlassenen Postershop sind die Requisiten in einem virtuos animierten Rockmusical. Die Mama ist die Hauptdarstellerin, der Soundtrack ist neu eingespielt. Ein anderer, nicht mehr existierender Raum hat sein Inventar als Projektion hinterlassen. Eine Spurensuche recherchiert das Ereignis. Zum Abschluss darf endlich auch mal ein so oft gehörter Kurzfilmohrwurm zu einer Gegendarstellung erklingen. Das Hören verstärkt das Zuschauen auf eine intensive Momentaufnahme, an deren Gestaltung wir unmerklich mitzuwirken angefangen haben. Im angeschlossenen Nachhallraum trennen sich allmählich die Blickkontakte von der Bildübertragung. Die NoBudget-Wundertüte no. 30 ist damit verteilt und geleert worden.

Text: Giuseppe Gagliano

Jury No Budget Wettbewerb

Im NoBudget-Wettbewerb wird ein Jurypreis im Wert von 2.000 Euro vergeben.

Gunter Deller:
Gunter Deller ist Filmemacher und Fotokünstler. Er studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und ist in Frankfurt am Main Mitbetreiber des Mal Seh’n Kino. Er kuratiert Kurzfilmprogramme und unterrichtet mit besonderem Fokus auf den Experimentalfilm, insbesondere auf Super 8 und 16mm.

Anna Gritz:
Anna Gritz ist eine in London lebende Autorin und Kuratorin. Für die South London Gallery kuratiert sie in den Bereichen Film, Performance und Vorträge. Aktuell bereitet sie dort Projekte mit Jill Magid und Bonnie Champlin vor. Zuvor war Gritz für das Institute for Contemporary Arts in London tätig und organisierte unabhängige Ausstellungen in New York, Köln, Eindhoven und San Francisco.

Jorge López Navarrete:
Jorge López Navarrete begann nach mehreren Jahren in der Werbebranche eigene Videoprojekte zu entwickeln. Er besuchte einen internationalen Workshop an der Filmschule in San Antonio de los Baños (Kuba) und studierte Digital Video an der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona. Seinen ersten professionellen Kurzfilm ›Pequeño bloque de cemento con pelo alborotado conteniendo el mar‹ (2013) drehte er unabhängig und mit kleinem Budget in der ecuadorianischen Provinz Chimborazo.