LABOR: EX MACHINA

Ex Machina

Die produktive Beziehung zwischen Künstlern und Maschinen hat eine lange Tradition, die bis weit in das Mittelalter zurückreicht. Als der Italiener Filippo Brunelleschi im 14. Jahrhundert an seinen Versuchen zur Darstellung der Zentralperspektive mit einer Lochkamera arbeitete, entwickelte er mit dieser ersten Camera Obscura ein Werkzeug, das die Malerei in der Renaissance endgültig revolutionieren sollte. Bilder wurden jetzt auf der Basis technisch-mathematischer Erkenntnisse entworfen und die Art, wie sich die Welt nun auf Altarbildern und in Fresken zeigte, überwältigte durch einen neuen, abgeklärten Realismus. Der Typus des forschenden Künstler-Wissenschaftlers, wie ihn Leonardo da Vinci verkörperte, prägte seit Beginn des 16. Jahrhunderts die verschiedenen Gattungen der bildenden Kunst. Albrecht Dürer erfand um 1500 ausladende optische Apparaturen, um seine perspektivischen Zeichenkünste zu vervollkommnen und raffinierte Ansichten von Körpern und Objekten abbilden zu können. Mitte des 17. Jahrhunderts beschäftigte sich der Jesuit Athanasius Kircher mit lichtbrechenden Linsensystemen und der Projektion von Glasbildern. Er ›malte‹ mit seiner Laterna Magica buchstäblich den Teufel mittels Projektionsstrahl auf die Wände seines vatikanischen Laboratoriums und wurde damit zu einem frühen Vorreiter des Films.

Mit der Erfindung von Fotografie, Film und Tonspeicherung gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich völlig neue Werkzeuge zur künstlerischen Erforschung der Erscheinungen der Welt und ihrer Wirkungen auf das Bewusstsein.

Ein analytisches und produktives Verhältnis zu den neuen Wundern des erweiterten Sehens und Hörens entwickelte sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts allmählich und gab dem Verhältnis zwischen Künstlern und Maschinen eine neue Richtung.

Als Friedrich Nietzsche gegen Ende seines Lebens damit begann, kleine Gedichte an einer frühen Version der heutigen Schreibmaschine zu verfassen, kam er zu der Einsicht: »Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken.«

Das diesjährige Labor-Programm widmet sich Künstlern, deren schöpferische Produktion maßgeblich von diesem maschinellen ›Schreibzeug‹ im weitesten Sinne angeregt wurde und die ihre Inspiration in experimentelle Filme übersetzt haben.

Peter Tscherkassky nutzt gefundenes, bereits belichtetes 35mm-Material als Rohstoff seiner Medienmeditationen und zerlegt, kopiert, wiederholt Sequenzen am optischen Printer, bis eine neue filmische Realität entsteht. Er schreibt: »›Instructions for a Light and Sound Machine‹ ist der Versuch, einen römischen Western in eine griechische Tragödie zu transformieren.«

James Whitney untersucht die Möglichkeiten, das rohe Filmmaterial per Hand so zu gestalten, dass Zufall und Systematik ausbalanciert zu sein scheinen. In einem aufwendigen Mal- und Druckverfahren trägt er Rasterungen und Muster auf den Filmstreifen auf und erzeugt in seinem Film ›Yantra‹ die Anmutung früher Computergrafiken, die ihn auch in späteren Filmen beschäftigen werden. Eine nachträglich beigefügte Tonspur mit Auszügen aus einer elektronischen Komposition des niederländischen Avantgardekomponisten Henk Bading erweitert Whitneys Bildwelten zu einer abstrakten futuristischen Vision.

Die Zerlegung von Zeit und Bewegungen mittels Pixilation nutzt Felix Kubin in seinem Animationsfilm ›Die Pein vom Haupt entfernen‹ für sein Porträt eines hypernervösen Zeitgenossen in einer Wirklichkeit, die wir wohl allgemein gerade als Zivilisation bezeichnen.

Die New Yorker Gruppe League of Electronic Musical Urban Robots (LEMUR) um Eric Singer entwirft hybride Musikmaschinen, die wie Kreuzungen zwischen Robotern und klassischen Instrumenten wirken und komplexe Kompositionen spielen können.

Mittels der Meta-Maschine des Internets ist Vicki Bennett tief in die 50er Jahre eingetaucht und hat erstaunlich aktuelle Bezüge zur heutigen Kontrollgesellschaft entdeckt. Der ›Remote Controller‹ wirft in einer Collage aus Lehrfilmen aus den Prelinger Archives einen Blick auf die Strategie, Technik zur Optimierung und Kontrolle von Menschen in einer komplexen Wirklichkeit anzupreisen und als komfortable Version von Ultramodernität zu verkaufen. Angesichts allwissender Kühlschränke, selbst navigierender Rasenmäher und sprechender Staubsaugroboter wirkt das wie ein Déjà-vu.

Dass auf der Kehrseite aller Technikeuphorie auch weiterhin eine gewaltige Militärmaschinerie wütet, muss zwangsläufig mitgedacht werden. Und so ist Robert Darrolls Film ›How Technology Saved the World‹ als ironischer Kommentar zur momentanen digitalen Verblendung zu verstehen.

 

Text & Filmauswahl Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe

Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe sind Filmemacher und Kuratoren