Dem Ton auf der Spur
Dem Ton auf der Spur
Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz, dass der Hörsinn unterschätzt wird, und auch dieses Festival wird die Dominanz des Visuellen nicht wesentlich schwächen können. Es ist bezeichnend, dass jüngere technische Innovationen sich vor allem auf die Natur des Tons beziehen, sei es, um möglichst reinen Klang zu erzielen, sei es, den Kinosaal durch Surroundeffekte vergessen zu machen.
Dies darf aber nicht das Hören dafür verstellen, dass es bei Tongestaltung nicht nur um technische Perfektion geht, auch nicht nur um die beste Musik. Daher hat sich das vorliegende Sonderprogramm zur Aufgabe gemacht, die Vielschichtigkeit der Audioebene und ihr Zusammenwirken mit dem Visuellen aufzuzeigen. Wir haben den Programmtitel beim Wort genommen und uns auf die Spuren-Suche im Kurzfilmarchiv begeben…
Unsere Auswahl, die „dem Ton auf der Spur“ ist, spiegelt eine Reihe von Möglichkeiten wider, wie im Kurzfilm mit Ton, Geräusch, Musik, Lärm, Stille etc. verfahren werden kann. Unser Ziel kann nicht sein, die Güte von Filmtonbeispielen zu bewerten oder gar zu verabsolutieren – für dieses gibt es in diesem Jahr den „Musik im Kurzfilm“-Preis, für jenes sind der Tonbeispiele viel zu viele. So macht das Sonderprogramm vielmehr die Vielschichtigkeit des Filmtons durch eine kompakte und heterogene Zusammenstellung hörsehbar. 22 Filme aus vergangenen und aktuellen Einreichungen des IKFF Hamburg liefern in zwei Einheiten auditive Genuss- und Schockzustände, sie thematisieren das Hörbare und offenbaren es als Essenz des Kurzfilms.
Verschiedene Ansätze werden z. B. hörbar bei der synthetischen Produktion des Tons im dokumentarischen Film oder anders herum bei der Tondokumentation, die ohne Schnitte und Brüche unterschiedlichen Bildeinstellungen und Szenenwechseln gegenübersteht. Die Tonspur kann Komposition sein, deren Rhythmus den der Bilder dominiert, ohne dem Visuellen Gewalt anzutun. Die Komposition kann aber natürlich auch – einem herkömmlichen Hollywood-Film gleich – als orchestrale Überwältigungsstrategie daherkommen, selbst wenn sie nur fünf Sekunden dauert. Woanders entspringt der Ton aus Kratz- und Zeichentechniken auf dem Filmmaterial, er wird gescratcht oder remixt, redundant wiederholt oder komplett stumm geschaltet, deformiert oder zum selben Bild dreifach variiert. Hier und da schallen Zitate durch den Kinosaal, imitieren und irritieren das Sichtbare; stereotype Elemente aus Tanzfilm, Musikfilm oder Videoclip wirken parodistisch, weil sie unseren visuellen oder auditiven Vorstellungsklischees entsprechen.
Der Filmton folgt einer eigenen Dramaturgie, er verfremdet Inhalte und Handlungen, spielt mit unseren Hörgewohnheiten, mit Erfahrungen, Erinnerungen und Erwartungen. Dabei wird letzten Endes deutlich, dass die Meisterwerke des Audiovisuellen Ton und Bild kongenial gestalten: Durch das Zusammenwirken des Hör- und des Sichtbaren im gemeinsamen Geist entsteht eine assoziative Kraft, die berauscht und die Wahrnehmung tatsächlich verstört und Einsichten erneuert.
Dem Ton auf der Spur 1
Mittwoch, 6. Juni, 19.30 Uhr, Lichtmeß
Samstag, 9. Juni, 19.45 Uhr, zeise 2
Ciao Mamma...
Vito Rocco, England 1995
Kurzspielfilm, 0:50 Min, ohne Dialog
Abu Kiffan
Gerard Holthuis, Niederlande 2005
Experimentalfilm, 7:01 Min., ohne Dialog
Jukebox
Run Wrake, England 1994
Experimenteller Animationsfilm, 4:57 Min., englische OF
Dubus
Alexei Dmitriev, Russland 2005
Experimentalfilm, 4:09 Min., ohne Dialog
Alles was wir haben
Volko Kamensky, Deutschland 2004
Experimenteller Dokumentarfilm, 22:00 Min., deutsche OF m. engl. UT
Optinen ääni
Mika Taanila, Finnland 2004
Experimentalfilm, 6:00 Min., ohne Dialog
Boot Camp
John Scott Matthews, USA 1996
Kurzspielfilm, 6:00 Min., englische OF
Unter Uns
Sarah Thußbas, Deutschland 2006
Animationsfilm, 3:36 Min., ohne Dialog
Musique de Tables
Thierry De Mey, Belgien 1999
Kurzspielfilm, 8:00 Min., ohne Dialog
Die Ballade von Struppi
Frank Behnke, Deutschland 2001
Musikclip, 3:50 Min., deutsche OF m. engl. UT
The Hills are Alive
Gregg Biermann, USA 2005
Experimentalfilm, 7:28 Min., ohne Dialog
Dem Ton auf der Spur 2
Freitag, 8. Juni, 17.30 Uhr, 3001
Montag, 11. Juni, 22.00 Uhr, zeise 2
Home Stories
Matthias Müller & Dirk Schaefer, Deutschland 1990
Experimentalfilm, 6:00 Min., ohne Dialog
Bodega Bay School
J. Tobias Anderson, Schweden 2004
Experimentalfilm, 5:29 Min., englische OF
Moving Panorama
Jae-Kyu Byun, Süd-Korea 2006
Experimentalfilm, 4:05 Min., ohne Dialog
Schwarzy & Clyde
Julien Corbière, Frankreich 2006
Experimentalfilm, 5:38 Min., ohne Dialog
Imagine This
John Callaghan, Irland 2006
Experimentalfilm, 4:39 Min., englische OF
Offside
Erez Tadmor & Guy Nattiv, Israel 2006
Kurzspielfilm, 5:43 Min., englische OF
Bass Invaders
Simon Ellis, England 2001
Kurzspielfilm, 5:10 Min., englische OF
Human Radio
Miranda Pennell, England 2001
Dokumentarfilm, 9:00 Min., englische OF
1:1
Richard R. Reeves, Kanada 2001
Experimenteller Animationsfilm, 2:30 Min., ohne Dialog
Live to Tell
Benny Nemerofsky Ramsay, Kanada 2002
Musikclip, 5:30 Min., englische OF
Who by Water
Bill Morrison, USA 2007
Experimenteller Dokumentarfilm, 17:30 Min., ohne Dialog